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Red Bull X-Alps – Interview mit Chrigel Maurer

von Sigrid Eder

Die Red Bull X-Alps – ein (fast schon) legendäres Hike- & Fly-Rennen, das zurecht als Abenteuer gilt.

1.138 Kilometer durch sechs Länder stehen auf dem Routen-Plan. Wo gelaufen, wann geflogen wird, das obliegt der Taktik, Erfahrung und dem Können der Sportler. Wie lange das Rennen dauert, hängt entscheidend vom Wetter ab.

Zehn Tage waren es im Durchschnitt in den vergangenen Jahren. Jahre in denen Christian „Chrigel“ Maurer, Sieger der letzten vier Austragungen, immer und eindeutig als erster in Monaco ankam. Der Profi-Athlet aus der Schweiz steckt mitten im Training für die X-Alps 2019. Er bewies bereits mehrfach, dass Mut auch dazu gehört, wenn man das Rennen für sich entscheiden möchte.

Interview mit Chrigel Maurer

Chrigel, 2019 gilt es „die Schweiz zu schlagen“. Wie schafft man das? D.h. was sind für Dich die entscheidenden Komponenten, die jeder Athlet ins Rennen mitnehmen sollte, um gegen die Schweiz, als Dich, zu gewinnen?
Für mich gelten fünf Faktoren als elementar: Körperliche Fitness, sehr gute Kenntnisse vom Gleitschirmfliegen, Know-How im Bereich GPS und sehr gute Orientierung, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ein engagiertes, vertrautes Supporter-Team sowie das genaue studieren der Reglements. Etwa 1.138 Kilometer liegen in diesem Jahr vor uns. Körperliche Fitness, Kondition und ein starker Wille sind wichtig, um wetterabhängig entweder zu den Startplätzen aufzusteigen oder längere Strecken zu Fuß zu absolvieren. Den Gleitschirm sollte man beherrschen, denn große Strecken in der Luft zu bewältigen, wenn das Wetter es zulässt, bringen einen voran. Ebenso sind die Start- und Landeplätze selten ideal.

Der Durchschnitt der letzten Jahre zeigt, dass ihr täglich zwischen 15 und 17,5 Stunden unterwegs seid. Fünf Stunden Schlaf müssen ausreichen, um dann ca. 2800 Höhenmeter auf einer Strecke von etwa 49 Kilometern zu laufen und je nach Wetter sechs Stunden und 150 Kilometer zu fliegen.
Ja, das kommt in etwa hin. Je nach Wetterlage läuft oder fliegt man mehr oder weniger. Die vergangenen Rennen haben gezeigt, dass es sich auch lohnt, im Rahmen der Regelvorgaben, andere Entscheidungen zu treffen. Das kann etwa sein, in einem Nachbartal weiter östlich aufzusteigen, damit einen Umweg zu riskieren, weil es von dort aus besser fliegt. Strategisches Denken, Entscheidungen bewusst für sich treffen – ohne sich dabei zu stark an der Konkurrenz zu orientieren – kann sich auszahlen.

Hast Du einen Masterplan für die X-Alps 2019?
(Chrigel lacht). Ja, ich mag Masterpläne. Je besser ich mich vorbereitet fühle, um so größer wird meine Vorfreude auf das Unbekannte. Mein Ziel ist es, eine Strategie für jede Situation und jedes Gebiet zu haben, damit ich im Rennen bestmögliche Flexibilität habe!
Für mich ist das X-Alps genau das Richtige: Es gibt etwas Struktur, aber draußen muss ich intuitiv und mit meinem Team umsetzen, was ich über das Jahr gelernt habe. Die Detailübersicht hilft mir dabei zu definieren, was ich schon kann, wo ich noch investieren muss und will. Die Inhalte meines Masterplans erarbeite ich aus eigener Erfahrung, im Rahmen von Diskussionen mit anderen Athleten und durch das mehrfache gedankliche „Durchspielen“ des Rennens mit meinem Team.

Wie ernährst du dich während der X-Alps – bei dem immensen Kalorienverbrauch? 
Nebst viel Pasta bekomme ich die Kalorien vor allem flüssig in Form von Winforce-Getränken und Gels. Gerade bei vollem Einsatz oder in der Luft sind die Carbo-Getränke ideal zum einnehmen und verdauen. 

Wann beginnt die X-Alps Vorbereitung für Dich persönlich? Oder hört sie nie wirklich auf? Was hast du im Winter gemacht, um fit zu bleiben?
Es gibt im Spätsommer/Frühherbst ein kleines Zeitfenster zum Relaxen. Da läuft es dann für mich etwas gemütlicher ab.
Im Oktober steht dann wieder Krafttraining und Muskelaufbau auf dem Plan. Ebenso längere Hike- & Fly-Sessions.
Sobald der erste Schnee liegt, motiviert mich das Skitourentraining. Monatlich komme ich dann in etwa auf 20.000 Höhenmeter. Pro Woche sind das im Durschnitt acht Stunden Fitness und 15 Stunden Ausdauer-Training.

Setzt du in der Trainingsvorbereitung auf dein Gefühl oder trainierst du mit Leistungsdiagnostik und Trainingsplanung von einem Trainer?
Theoretisch wüsste ich genau, wie ich trainieren muss. Zum einen kann ich dies zeitlich nicht immer einrichten, zum anderen bin ich mit dem fliegen wettergesteuert und daher auch häufig nach „Möglichkeiten“ und Gefühl unterwegs.

Nimmst Du an Skitourenrennen teil?
Ja, das zeigt mir auch, wo ich stehe. Von Januar bis April laufe ich regelmäßig bei Rennen mit. Die Rennsituation motiviert mich auch, richtig „Gas“ zu geben. Ab Februar kommen dann 1-2 Laufeinheiten pro Woche dazu. Diese Laufeinheiten auf der Straße steigere ich kontinuierlich. Vier Monate später, im Mai, bin ich dann bei 150 Kilometern pro Monat.

Und das Flug-Training?
Das hört (fast) nie wirklich auf. Im Winter steht eher Akrobatik, d.h. Technik-Training im Vordergrund – auch mit Skiern, wenn der Schnee nicht besonders gut ist. Längere Flüge lässt die Thermik erfahrungsgemäß ab März zu. Ich genieße jedes Jahr aufs Neue, wenn mich das Gefühl überkommt, vogelgleich über meine Heimat zu fliegen. Das ist dann auch die Zeit, neues Material auszuprobieren und eventuell etwas Neues anzuschaffen. Das gilt gleichermaßen für meine Ernährung, die Laufkleidung und das optimale Schuhwerk. Da ich meinen Körper sehr gut kenne, merke ich schnell, ob das ein oder andere positive Auswirkungen hat oder eher nicht.
Im April beginnt die Saison der Hike- & Fly-Rennen. Ich nutze diese Rennen, um effizienter zu werden. Bis dahin kenne ich meine aktuelle körperliche Verfassung ziemlich gut

Bis zu den X-Alps dauert es nicht mehr lange.
Dein persönlicher Feinschliff bis dahin lautet…
Ich ersetze bald das Krafttraining durch Schnellkraft-Sprünge und Stretching oder koordinatives Training: Bei Bergläufen belaste ich aufwärts vor allem meinen Kreislauf, beim flach- oder runterlaufen die Beine und Struktur. Als wichtig erachte ich, die Absprache mit meinem Umfeld, damit ich ein gutes Gefühl und einen freien Kopf habe. Wie schon gesagt: Je besser ich mich vorbereitet fühle, um so größer wird meine Vorfreude auf das Unbekannte. Meine Vorfreude in diesem Jahr ist groß.

Du hast ja bereits jede Menge Erfahrung der letzten Jahre – wie lange brauchst du bzw. der Körper, bis du nach den X-Alps vollständig erholt bist? 
Die Erholung hängt stark von den Überbelastungen ab, muskulär geht nach 10 Tagen wieder alles recht gut, Endzündungen brauchen aber  6 Wochen. In dieser Zeit sollte man nicht zu viel machen. Aber die Müdigkeit ist perfid, die täglichen „Krisen“ spürte ich meist 2 Monate noch.

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