Home AllgemeinElite vs elitär: Wie entwickelt sich der Trailrunning Sport?

Elite vs elitär: Wie entwickelt sich der Trailrunning Sport?

von Sigrid Eder

Was machen steigende Stargelder mit der Trailrunning Szene?

Wenn wir an Trailrunning denken, denken wir an Freiheit. Rucksack, Schuhe, Berge, ein Startnummernband und das Gefühl, Teil einer Szene zu sein, in der (fast) alle auf Augenhöhe unterwegs sind.
Inzwischen gehört aber noch etwas anderes fix dazu: ein deutlich spürbarer Schlag aufs Konto.

Gerade bei großen Events wie dem mozart 100 by UTMB oder dem Zugspitz Ultratrail by UTMB (ZUT) hat sich das Startgeld in den letzten Jahren massiv nach oben bewegt. Gleichzeitig werden die Elitefelder stärker, die Profi-Teams sichtbarer, die Medienpräsenz größer.
Die entscheidende Frage bleibt: Fördern wir die Elite oder machen wir unseren Sport elitär?

Vom „noch leistbar“ zum Premium-Ticket: mozart 100 im Zeitraffer

Als Beispiel haben wir den mozart 100 gewählt, der derzeit in der Szene neben dem ZUT heiß diskutiert wird.

  • 2014 lag das Startgeld für die 100-Kilometer-Distanz bei 95 Euro.
  • 2019 kostete der Hauptbewerb (damals 109 km) je nach Anmeldezeitpunkt rund 99 bis 129 Euro.
  • Für 2026 liegen wir auf der längsten Distanz (119 km) nun bei 358 bis 385 Euro Startgeld.

Damit hat sich das Startgeld in gut zehn Jahren mehr als verdreifacht. Pro Kilometer zahlen wir heute beim längsten mozart-Lauf grob 3 Euro, früher war es rund 1 Euro pro Kilometer.

Natürlich sind Events teurer geworden. Sicherheit, Medical, Personal, Infrastruktur, Inflation. Niemand erwartet, dass so ein Rennen zum Selbstkostenpreis funktioniert. Aber die Dimension des Anstiegs ist extem, vor allem, wenn man Folgendes bedenkt: Ein Großteil der Teilnehmer läuft keinen 100-Meilen-Weltcup, sondern erfüllt sich einen persönlichen Traum.

ZUT: Deutschlands größtes Trail-Event auf UTMB-Kurs

Ähnliches Bild beim ZUT.

2013, als der Salomon Zugspitz Ultratrail noch deutlich kleiner und unabhängig von UTMB war, kostete das Startgeld für die 100-Kilometer-Strecke 110 Euro.

Für 2026 gibt es sieben Distanzen von 16 bis 164 Kilometern. Laut Laufkalender-Übersicht liegen die Startgelder aktuell zwischen 45 und 60 Euro (16 km) und 280 bis 320 Euro für den 100-Meilen-Lauf ZUT100. Der Ultratrail über 106 km kostet 180 bis 210 Euro.
Auf der offiziellen UTMB-Seite wird für 2026 beim ZUT100 ein Preis von 381,50 Euro genannt.

Damit spielen ZUT und mozart 100 in derselben Liga: Wer ganz vorne mitlaufen möchte oder einfach das „große Ding“ im Jahr fix buchen will, zahlt inzwischen Beträge, die für viele Einkommensrealitäten schlicht nicht mehr drin sind. Einfach gesagt: Nicht jeder ist Schwerverdiener. Es gibt Menschen, die für dieses Geld eine ganze Woche in den Urlaub fahren.

Dazu sei Folgendes aus persönlicher Sicht gesagt: Seit 2013 sind wir als Trailrunning Szene Redaktion nun ‚mit dabei‘. Was die Veranstalter des ZUT geleistet haben und wie sie Trailrunning geprägt haben, ist einfach nur bewundernswert. Hier nach vielen, vielen Jahren das Event Format verkaufen bzw. abgeben, ist mehr als verständlich. Eigentlich kann man trotz allem nur Danke sagen für diese Vorbildfunktion an Professionalität für viele andere Veranstalter!

Positivbeispiel Großglockner Ultra-Trail: groß, alpin, vergleichsweise fair

Spannend wird es im Vergleich.
Der Großglockner Ultra-Trail (GGUT) ist eines der bekanntesten und härtesten Rennen in Österreich, 110 Kilometer rund um den höchsten Berg des Landes, 6.500 Höhenmeter, hochalpines Gelände.

Die Startgelder für 2026:

  • GGUT 110 km: 195 Euro bis Ende Dezember, später maximal 245 Euro
  • OTT 84 km: 150 bis 190 Euro
  • GGT 57 km: 125 bis 155 Euro

Damit bleibt der lange Hauptbewerb deutlich unter der 250-Euro-Grenze, obwohl Aufwand, Gelände und logistischer Rahmen sicher nicht kleiner sind als bei anderen großen Ultras im alpinen Bereich. Der Bewerb ist erfahrungsgemäß professionell abgesichert. Der GGUT ist also ein Beispiel dafür, dass man ein starkes, internationales Event mit Elitefeld organisieren kann, ohne die Startgelder in UTMB-Regionen zu treiben.

Elite vs. elitär: Wo ziehen wir die Linie?

Wir brauchen Elite.
Starke Profis, große Namen, internationale Teams – das sorgt für Aufmerksamkeit, Medienberichte, Sponsoren, Livestreams. Viele von uns lassen sich genau davon inspirieren. Ohne Elite würde unser Sport im Schatten bleiben.

Das Problem beginnt dort, wo die Rechnung kippt:

  • Elite bekommt Startgeld, Preisgeld, Antrittsgelder oder gesponserte Reisen.
  • Die breite Masse zahlt immer höhere Startgelder, um diese Bühne zu finanzieren.

Mit dem UTMB-Ökosystem sind zusätzlich Strukturen entstanden, die das System verstärken: Running Stones und UTMB Index sind zu einer eigenen Währung geworden, um überhaupt Chancen auf einen Startplatz in Chamonix zu haben.

Für Profis ist dieser Weg oft eine Investition in ihre Karriere. Für ambitionierte Amateure wird er schnell zu einem sehr teuren Hobby mit Serien-Charakter: mehrere teure Events pro Jahr, Reise- und Übernachtungskosten oben drauf.

Die Frage ist also nicht: Wollen wir Elite?
Die Frage ist: Ab wann sorgen Strukturen dafür, dass der Zugang für Normalverdiener massiv eingeschränkt wird? Dann wird aus Elite ganz schnell elitär.

Mountainman & Ultraks: Geht es auch anders?

Um das einzuordnen, hilft ein Blick auf andere Serien im Alpenraum: Mountainman und Ultraks.

Mountainman: Community, Natur, leistbare Preise

Beim Mountainman Grossarltal kosten die verschiedenen Distanzen (10, 15, 30, 50 km) zwischen 50 und 90 Euro.
Dafür gibt es markierte Strecken, mehrere Distanzen, Zeitnehmung, Finisher-Medaille, regionale Verpflegung und eine sehr familiäre Stimmung.
Teilweise sind Mountainman-Rennen sogar UTMB-Index-Rennen, etwa der Wintertrail, ohne dass die Serie zur World Series gehört.

Ultraks: hochwertige Events, aber noch unter UTMB-Preisniveau

Bei der Mayrhofen Ultraks Zillertal 2024 sieht das Preisgefüge so aus:

  • MUZ14: 40 bis 70 Euro
  • MUZ30: 65 bis 100 Euro
  • RK50: 85 bis 135 Euro
  • TUX070: 125 bis 175 Euro
  • Z101: 199 Euro fix

Beim Bernina Ultraks 2024 liegen die Startgelder je nach Distanz zwischen 35 und 155 CHF.
Die Events sind professionell organisiert, landschaftlich top und laufen ebenfalls als UTMB-Index-Rennen, allerdings ohne World-Series-Finale im Hintergrund.

Wohin entwickelt sich Trailrunning gerade?

Wir sehen aktuell mehrere Entwicklungen gleichzeitig:

  • by UTMB
    Immer mehr bisher unabhängige Klassiker werden Teil der UTMB World Series. mozart 100, ZUT, KAT100 und andere sind Beispiele für diese Integration.
    Das bringt Professionalität und Reichweite, aber auch ein Preismodell, das sich an einer globalen Marke und nicht an normalen Einkommensverhältnissen orientiert.
  • Stärkere Elitefelder
    Mehr Profiteams, mehr Preisgeld, mehr mediale Präsenz. Athleten wie Hannes Namberger selbst betonen, dass unser Sport starke Elitefelder braucht, um sich gegen Straßenlauf und Triathlon zu behaupten. Das ist alles legitim, die Frage ist lediglich, wer das alles finanziert. Profis selbst zahlen in der Regel kein Startgeld.
  • Vom Breitensport zum elitären Sport
    Je höher Startgelder, Reise- und Übernachtungskosten, desto stärker verschiebt sich Trailrunning vom „ehrlichen Outdoor-Sport“ hin zu einem Lifestyle-Produkt mit exklusivem Preisetikett.
    Wer Familie, normal bezahlten Job und vielleicht noch andere Hobbys hat, muss sich sehr genau überlegen, ob ein einziges Ultra-Wochenende 700–1.000 Euro wert ist und ob man das im familiären Umfeld noch sinnvoll argumentieren kann.
  • Gleichzeitiv: Viele kleine, faire Alternativen
    Vom Dorflauf mit 25 Euro bis zu regionalen Ultras mit 80–150 Euro Startgeld gibt es in Europa nach wie vor eine große Auswahl an Rennen, bei denen Herzblut wichtiger ist als Hochglanz-Bogen im Ziel.
    Genau diese Vielfalt ist der Kern dessen, was Trailrunning groß gemacht hat.

Was wäre eine gesunde Entwicklung?

Wir sollten uns ehrlich machen.
Es wird immer Events geben, die Premium-Preise verlangen. Chamonix wird nie ein 80-Euro-Wochenende sein, und auch große Alpenultras brauchen Budget.

Entscheidend ist, dass wir als Szene ein paar Leitplanken einziehen:

Transparenz
Organisatoren sollten offenlegen, wofür Startgelder in dieser Höhe gebraucht werden. Sicherheit, Infrastruktur, Gebühren > OK. Goodie-Bag-Overkill und überdimensionierte Expo sind verzichtbar.

Sozial und fair gedacht
Modelle wie gestaffelte Startgelder nach Einkommen, limitierte „Local Slots“ zu reduzierten Preisen oder echte Early-Bird-Rabatte, die ihren Namen verdienen, sind vielleicht noch in weiter Ferne, aber es sind Möglichkeiten, die Hürde zu senken.

Elite finanzieren, ohne den Rest auszusperren
Wenn Elitefelder aufgebaut werden, sollte klar sein, dass diese nicht komplett über steigende Massenstartgelder quersubventioniert werden. Sponsoren und Marken profitieren vom Elitefeld, also sollten sie auch ihren Anteil tragen und nicht nur eingeladen werden.

Kleine Rennen stärken
Wer sich bewusst für ein kleineres, regionales Event mit fairen Startgeldern entscheidet, setzt ein Zeichen. Diese Veranstaltungen sind das Rückgrat der Szene, nicht nur die großen Markenläufe. Wenn es keine kleinen Rennen mehr gibt, dann existiert auch kein einfacher Einstieg mehr in die Szene.

Elite ja. Elitär nein.

Wir alle lieben große Namen auf der Startliste. Wir freuen uns, wenn Profis über dieselben Trails fliegen, auf denen wir uns mühsam hochkämpfen. Die Elite gehört zum Sport dazu, sie inspiriert und treibt Grenzen nach oben.

Kritisch wird es dort, wo sich ein immer größerer Teil der Szene diese Bühne nicht mehr leisten kann.
Wenn ein 100-Kilometer-Rennen mehr kostet als ein Wochenurlaub mit der Familie, läuft etwas schief.

Die gute Nachricht:
Wir können als Community entscheiden, welche Rennen wir buchen, welche Modelle wir unterstützen und wo wir sagen: „Hier ist die (persönliche) Grenze.“

Quellen:

Quellen

  • Offizielle Registrierung und Gebührenübersicht mozart 100 by UTMB 2026. Mozart 100
  • Erfahrungsbericht mozart 100 2014 mit Angabe des damaligen Startgelds (95 Euro). marathon.pitsch-aktiv.de
  • Blogeintrag zum Salomon Zugspitz Ultratrail 2013 mit Startgeld 110 Euro über 100 km. René Rössig
  • Aktuelle Startgeld-Übersicht Zugspitz Ultratrail 2026 (verschiedene Distanzen, inkl. 280–320 Euro für ZUT100). marathon.de
  • ZUT100-Registrierungsseite als UTMB World Series Event mit aktuellem Preistier 381,50 Euro. zugspitz.utmb.world
  • Großglockner Ultra-Trail (GGUT) Offizielle Distanz- und Höhenmeterangaben (110 km / 6.500 Hm). ultratrail.at+1
  • GGUT-Reglement mit Startgeldern 2026 (195–245 Euro für GGUT 110, weitere Distanzen). ultratrail.at
  • Mountainman-Eventseite und Produktseite „Startplatz MOUNTAINMAN Grossarltal 29.06.2024“ mit Distanzen und Preisrange 50–90 Euro. MOUNTAINMAN+1
  • Mayrhofen Ultraks Zillertal Pricing 2024 (Detailtabelle mit Preisen von 35 bis 199 Euro je nach Distanz). mayrhofen.ultraks.com
  • Bernina Ultraks Pricing 2024 (Einträge von 35 bis 155 CHF je nach Distanz). Bernina Ultraks –
  • UTMB-Weltserien-Erklärungen zu Running Stones und Qualifikationssystem. UltraSignupNews
  • UTMB Index-Einstufung ausgewählter Ultraks- und Mountainman-Rennen. utmb.world+2utmb.world+2
  • Hintergrundartikel und Diskussionen zur Kommerzialisierung des Trailrunnings („Zwischen Freiheit und Kommerz – Trailrunning im Wandel“ u. a.). trail-magazin.de

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