Startseite » Interview mit Esther Fellhofer

Interview mit Esther Fellhofer

von Sigrid Eder

Inhalt

Titelbild: The Adventure Bakery

Hi Esther, erstmal Gratulation zur Saison 2023 – unglaublich!

Vielen Dank!

Du bist bei der Weltmeisterschaft 23. geworden, bei allen anderen Rennen warst du unter den Top 3, dabei meistens Erste; beim Wien Rundumadum hast du auch alle Männer hinter dir gelassen. Wo hast du deiner Meinung nach die stärkste Leistung abgeliefert?

Es waren ein paar Rennen, wo einfach alles gepasst hat. Beim KAT100 war ich vor allem auf den ersten 100km sehr schnell unterwegs und war auch bergauf unerwartet stark, was ja eigentlich meine Schwäche ist.
Bei der WM konnte ich im letzten Streckenabschnitt eine starke Aufholjagd von Platz 41 auf 23 machen.
Aber auch in Andorra ist zwar nicht alles, aber sehr vieles aufgegangen.
Und zu guter Letzt Wien Rundumadum, wo ich überraschend viel mehr erreicht habe, als ich wollte, hat mir extrem viel Motivation für die flachen Strecken gegeben.

Bei der WM warst du extrem stark – wie war das Rennen für dich? Du bist ja gestürzt… denkst du, eine Top 20 Platzierung wäre sonst drin gewesen?

Nachdem ich nur vier Minuten von der Top 20 entfernt war, bin ich mir ziemlich sicher, dass eine Top 20 Platzierung möglich gewesen wäre. Der Sturz ließ mich bestimmt 15 Minuten nur humpelnd oder langsam laufen. Ich war froh, dass ich danach (vermutlich durch das Adrenalin) die Schmerzen bis zum Ziel nicht mehr gespürt hab. Aber um das Positive zu sehen, habe ich jetzt ein paar Narben, die mich immer wieder an dieses großartige Event erinnern ☺

Du bist in der Ultralauf-Szene so etwas wie ein echtes Wunder, vor allem, wenn man sich ansieht, wie viele Rennen du eben ganz weit vorne ins Ziel bringst oder gewinnst. Beim TDS in Chamonix bist du bei extrem widrigen Wetterbedingungen nicht ins Ziel gekommen. Denkst du, dass du hier irgendeinen Fehler gemacht hast? Würdest du irgendetwas anders machen bzw. hast du hier Tipps für unsere Leser?

Da habe ich definitiv einen Fehler gemacht. Vermutlich, weil ich Ende August nicht mit Wintereinbruch gerechnet habe. Ich hatte gewöhnliche dünne Handschuhe, eine leichte Regenjacke und eine dünne lange Hose. Aber für Schneefall und starken Wind war das einfach zu wenig. Ich hätte mehr anziehen müssen, vor allem dickere Handschuhe.
Nach drei Gipfeln mit Schnee war mein Körper so ausgefroren, dass ich keine Energie mehr für den folgenden Uphill hatte und mich mit letzten Kräften zur Labstation gekämpft habe. Dort musste ich mir schmerzhaft eingestehen, dass Weitermachen keinen Sinn mehr macht.

Probierst du den TDS auch 2024 wieder oder reizt dich eher der UTMB?

Ich bin immer noch unschlüssig. UTMB reizt mich irgendwie nicht so, trotzdem möchte ich ihn irgendwann einmal laufen. Den TDS möchte ich nach zwei DNFs auch endlich mal ins Ziel bringen. Aber was ich in welchem Jahr mache, habe ich noch nicht beschlossen und wird – wie ich mich kenne – last minute passieren, bevor die Anmeldung schließt.

Was steht bei dir nächstes Jahr am Programm? Dein längstes Rennen war der Eiger Ultra 2022 über 250 Kilometer. Sind Bewerbe darüber hinaus ein Thema für dich?

Programmplanung ist auch so eine Sache, da passiert auch vieles spontan. Ich habe immer drei größere Läufe im Vorfeld geplant und der Rest ist spontan. Istria100 wird mein Saisonstart sein, da ich letztes Jahr aus gesundheitlichen Gründen aussteigen musste. Danach hängt einiges davon ab, ob ich zur Trailrunning EM im Mai nach Frankreich fahre, oder nicht. Gerne laufen möchte ich den Restonica Trail (Korsika), vermutlich bin ich auch beim Gletscher Trailrun im Ötztal wieder am Start. Und wer weiß, was sonst noch alles kommt.
Was definitiv bereits im Kalender steht, ist der ATT in Werfenweng.
Und wegen den extrem langen Distanzen über 250km – ich plane bereits das nächste lange Abenteuer, aber noch ist nicht entschieden, wann, was und wo.

Wie stehst du zu Skyrunning Bewerben? Reizt dich eher die Distanz oder das Technische?

Ich bin ein Fan von Skyrunning und technischen Strecken. Ist genau meins. Allerdings ist für mich die Distanz zu kurz. Daher laufe ich Skyraces nur, wenn es einen SkyUltra Bewerb gibt, was leider nicht oft der Fall ist.

Kommen wir zum Thema Training – wie viel machst du, um so stark zu sein? Wie viel Krafttraining ist dabei und gibt es auch Tage, an denen du gar nichts machst?

Die Tage, an denen ich nichts mache, sind sehr selten bis gar nicht vorhanden. Krafttraining ist momentan ca. 4h pro Woche. Ich versuche, 100km in der Woche zu laufen, was nicht immer gelingt. Im Winter eher, als während der Saison.
Ansonsten habe ich keinen Plan, einfach nach Gefühl, wonach der Körper grad Lust hat und fähig ist.

Viele werden ziemlich unrund, wenn sie einmal verletzt sind oder krank – wie geht es dir in solchen Situationen mental – wenn das Laufen an sich zum Leben gehört…?

Ich hatte das Glück (klopfe auf Holz), dass ich noch nie verletzt oder länger krank war. Daher kann ich darüber nichts berichten.
Grundsätzlich hätte ich ein Mountainbike und ein Rennrad im Keller, für den Fall, dass ich verletzt bin und nur Radfahren darf. Aber sie verstauben dort ☺.

Ganz ehrlich: Bei deinen Leistungen gibt es sicher eine Menge Bewunderer, aber vermutlich auch Neider. Welche Erfahrungen hast du hier gemacht?

Ja, die Neider gibt es leider. Es gibt gottseidank selten aber doch immer wieder Leute, die den Erfolg von anderen nur schwer ertragen können und dann versuchen, die Leistungen als „schlecht“ darzustellen und nur das Negative darin zu sehen. So etwas geht bei mir mittlerweile bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus. Sollen sie das doch selber erst mal laufen.

Wie kann man sich die internationale Top Szene vorstellen? Geht es hier sehr ehrgeizig zu oder freundschaftlich?

Bisher konnte ich nur gute Erfahrungen in der Top Szene machen. Es geht beim Trailrunning meistens sehr freundschaftlich zu. Deshalb liebe ich auch die Wettkämpfe, weil es kein „Kampf“ in dem Sinn ist, sondern jeder einfach versucht, sein Bestes zu geben, aber auch (fast) jeder jedem eine gute Platzierung gönnt.

Thema Ernährung: Du betonst immer, bei Rennen auf dein Körpergefühl zu hören. Wie ist das zuhause und im Training? Wie sehr achtest du auf Mikro- und Markonährstoffe oder zählt auch hier eher das Gefühl?

Ich achte auch im Training nur auf mein Körpergefühl. Ich esse das, worauf mein Körper gerade Lust hat. Ich verbiete mir nichts, weil ich denke, dass mein Körper mit normaler Ernährung alle Mikro- und Makronährstoffe bekommt, die er braucht.

Hattest du in den letzten Jahren, wenn man deinen kometenhaften Aufstieg und auch die Anzahl deiner Rennen beachtet, Probleme mit Verletzungen oder geht alles gut?

Alles gut ☺. Keine Verletzung, keine Überbelastung. Ich höre auch im Training nur auf mein Körpergefühl. Wenn sich die Beine müde anfühlen, mache ich nichts, wenn es geht, laufe ich in einem Tempo, das sich gut anfühlt.

Der Winter ist mittlerweile da, stehst du auch auf Langlauf-/Tourenski, betreibst du auch Radsport o.ä.?

Ich laufe im Winter durch. Ich kann nicht richtig Schifahren und Angst vor Lawinen habe ich auch, daher keine Schitouren für mich. Radfahren finde ich langweilig ☺ Ich gehe 2x pro Woche zum Spinning, aber da steht der Spaß im Vordergrund und in der Gruppe kann ich mich noch eher motivieren, etwas anderes als Laufen zu machen.

Wo soll die Reise in den nächsten Jahren hingehen? Wie stark, denkst du, kannst du dich noch verbessern?

Ich denke, es ist noch viel Luft nach oben. Ich habe aber keine konkreten Ziele, wo ich hinmöchte, oder was ich noch erreichen möchte. Ich bin sehr zufrieden, mit dem was war, und wenn es so weitergeht wie bisher, bin ich mehr als zufrieden.

Zu guter Letzt: Wer ist Esther privat? Was machst du, wenn du nicht in der Arbeit bist oder trainierst? Bleibt noch Zeit für andere Hobbies und Leidenschaften?

Unter der Woche bleibt eigentlich keine Zeit für Anderes als Training und Job. Am Wochenende mach ich meistens in der Früh mein Training und genieße dann den Tag mit Freunden und einfach mal nichts tun.

Word-Rap

Aktueller Lieblingssong: La Danza delle streghe – Gabry Ponte (Motivationslied in Dauerschleife bei Wien Rundumadum)
Das lese ich zurzeit: Trailrunning Kalender 2024 ☺ (ich lese keine Bücher)
Lieblingsessen: Risotto (und generell alles mit Reis)

Bild: The Adventure Bakery

Mehr lesen